Was für eine Kinowoche
Eine Woche Kino und Filmfestival habe ich hinter mir. Zuerst gastierte #SchleFaZ in Frankfurt und dann folgte NIPPON CONNECTION, das japanische Filmfestival.
Montag, 27. Mai in der Frankfurter Batschkapp: Peter Rütten und Oliver Kalkofe gastieren in Frankfurt zur #SchleFaZ-Deutschland Tournee. Die erfolgreiche Sendereihe #SchleFaZ (Die schlechtesten Filme aller Zeiten) wurde zum Jahresende 2023 vom Sender TELE5 trotz guter Quoten abgesetzt. Es dürfte die dümmste unternehmerische Entscheidung in der jüngeren deutschen Fernsehgeschichte sein. Der Neustart im August auf neuem Sender NITRO steht bevor und in der Zwischenzeit erfeuen die beiden Unterhaltungskünstler das Live-Publikum vor Ort.
Drei Filme wurde ausgelost und das Publikum vor Ort wählte zwischen dem deutschen 70er Jahre Quatsch-Softporno ACH JODEL MIR EINEN - STOSSTRUPP VENUS, der japanischen Comicfilmparodie HENTAI KAMEN und dem Söldner-Schmuddelfilm DEADLY PREY - TÖDLICHE BEUTE wählen. Das Frankfurter Publikum wählte den dilletantischen DEADLY PREY, der in Deutschland nicht mal ins Kino sondern direkt auf Video veröffentlicht und von mutmaßlichen Butterfahrten-Animateuren*innen synchronisiert wurde. Es ist der blödeste Film, der zur Auswahl steht und den ich bei der Sendung nicht mal auf DVD archivierte. Im Fernsehen machte er mir damals keinen Spaß, im Kollektiv mit Filmbegeisterten macht er dann doch großen Spaß. Mein Freund Harald bekam die Karte von mir zum Geburtstag geschenkt. Es ist seine #SchleFaZ-Premiere. Er kannte die Sendung bisher nur vom Namen und lässt sich überraschen.
Die Batschkapp ist für Kinovorführungen nur bedingt geeignet. Die Stuhlreihen sind ohne Tribünen oder andere Erhöhungen auf dem Hallenboden platziert und wer wie ich einen größeren Mann mit Wuschelhaaren vor sich hat, sieht teilweise nicht das komplette Bild und hat Schwierigkeiten, die obligatorischen eingeblendeten Kommentare am unteren Bildrand zu lesen.
Es war ein schöner Abend. Die beiden Moderatoren genossen es sehr, die Fankultur auszukosten, gaben Autogramme, machten Fotos und schwätzten im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten mit dem Publikum. Oliver Kalkofe geht mit ramponiertem Miniskus an Krücken und hält tapfer durch. In unserem Alter und unserer Gewichtsklasse wirde es nicht einfacher und Arthrose kommt dazu.
Ich möchte für die vielen #SchleFaZ-Abenteuer etwas zurück geben und gebe den Beiden einen USB mit zwei #SchleFaZ-Empfehlungen für die Zukunft: Lou Ferrignio als SINDBAD und die unglaubliche Action-Gülle RAW FORCE - JÄGER DES TÖDLICHEN JADE mit Kung-Fu-Kämpfern*innen, einer verbotenen Insel, philippinischen Prostituierten, Kannibalen-Mönchen, Ninja-Zombies und Cameron Mitchell als dauer-betrunkenem Schiffskapitän.
Am Dienstag besorge ich mir Karten für das japanische Filmfestival Nippon Connection, das an diesem Tag starten wird.
Donnerstag, 30. Mai um 19:15 Uhr im Festivalzentrum Mousonturm:
BEST WISHES TO ALL / Mina ni sachi are / みなに幸あ
Eine junge Frau besucht ihre Großeltern auf dem Land, um sich ein wenig um sie zu kümmern. Doch die anfängliche Idylle und gute Laune werden alsbald durch seltsame Vorkommnisse, nächtliche Geräusche und blutige Albträume gestört. Alles nur Einbildung oder verbergen die Großeltern ein schreckliches Geheimnis? In seinem Debütfilm spielt Regisseur Yuta SHIMOTSU von leisem Grusel bis markerschütternden Schocks virtuos auf der Klaviatur des Grauens. Unterstützung bekommt er dabei von Produzent und Horrorfilm-Legende Takashi SHIMIZU (JU-ON). In der Hauptrolle brilliert Kotone FURUKAWA (NIPPON RISING STAR AWARD 2024). [Text: NIPPON CONNECTION]
Der Film braucht sehr lange, bis er in die Gänge kommt, und hat einige Längen. Nach einer halben Stunde sieht die Enkelin einen nackten alten Mann mit zugenähten Augen und zugenähtem Mund über den Flur kriechen. Er konnte sich aus seinen Fesseln befreien, wird von Oma und Opa in sein Gefängnis zurück gebracht und gefesselt. Die Enkelin tut sich mit einem Schulfreund aus der Nachbarschaft zusammen und sie befreien den Alten, der kurz danach stirbt. Ohne den Alten geht es den Großeltern immer schlechter und sie drohen, zu sterben. Die Eltern, die zwischenzeitlich auftauchen, sind auch über die merkwürdigen Aktivitäten informiert und verteidigen alles.
Was die über einen Katheder aus dem Magen oder Darm des Gefangenen abgezapfte Substanz mit Omas selbstgemachtem Miso zu tun hat, können wir nur ahnen.
Fazit: Nicht uninteressant, aber zu lahm inszeniert und nicht ganz neu.
Hauptdarstellerin und Regisseur sind anwesen.
Freitag, 31. Mai um 15:00 Uhr im Festivalzentrum Mousonturm:
Akino ist die neue Concierge in einem ganz besonderen Kaufhaus. Dort sind nämlich nicht Menschen die Kundschaft, sondern Tiere – von denen einige sogar bereits als ausgestorben gelten. Akinos Job ist es, sich um die Erfüllung all ihrer Wünsche zu kümmern. Dass dabei nicht immer alles nach Plan läuft, ist bei den Eigenheiten ihres anspruchsvollen Klientels vorprogrammiert. Die charmanten Charaktere fordern Akino heraus, über sich selbst hinauszuwachsen. Yoshimi ITAZU gelingt ein spielerischer, leichtfüßiger Kommentar auf Konsumgesellschaft und Umweltzerstörung, der ein junges und erwachsenes Publikum gleichermaßen anspricht. [Text: NIPPON CONNECTION]
Sehr interessant. Der Regisseur verbindet klug und schon fast subversiv erzählte Zivilisations- Gesellschafts- und Kunsumkritik sehr geschickt mit einer herzlichen Geschichte und erzählt das mit einem sehr eigenwilligen Animationsstil.
Samstag, 1. Juni im Festival Mousonturm
The Tunnel To Summer, The Exit Of Goodbyes / Natsu e no tonneru, sayonara no deguchi / 夏へのトンネル、さよならの出口
Kaoru würde alles dafür geben, seine verstorbene kleine Schwester noch einmal zu sehen. Als er das Gerücht von einem verborgenen Tunnel hört, in dem jeder Wunsch erfüllt werden kann, begibt er sich auf die Suche und wird tatsächlich fündig – so wie auch seine neue Mitschülerin Anzu. Gemeinsam wollen die beiden dem Geheimnis des Tunnels auf den Grund gehen. Doch die Erfüllung ihrer Wünsche hat einen unerwartet hohen Preis. In hinreißenden Bildern erzählt Tomohisa TAGUCHI eine melancholische Coming-of-Age-Geschichte, die den Vergleich mit den frühen Werken des Anime-Meisters Makoto SHINKAI nicht scheuen muss. [Text: NIPPON CONNECTION]
Diverse Hintergründe und Bildinhalte wie Holzmaserungen sind vermutlich mit Computeranimationen kreiert, was aber nicht negativ auffällt. Der Zeichenstil ist sehr ansprechend und die Geschichte ist mitreißend und gefühlvoll erzählt.
Die Sitze im Mousonturm nicht die bequemsten und die Beinfreiheit ist nicht die Größte. Das Gelände hat auch den Nachteil, dass sich die Massen an Publikum teilweise gegenseitig im Weg stehen. Da war das frühere Festivalgelände am Campus Frankfurt-Bockenheim besser geeignet.
Sonntag wird der anstrengendste Tag mit drei Filmen.
11:30 Uhr im Festivalzentrum Mousonturm:
Totto-Chan: The Little Girl At The Window / 窓ぎわのトットちゃん Madogiwa no Totto-chan / 窓ぎわのトットちゃん
In den 1940er Jahren wird die siebenjährige Totto-chan aufgrund ihrer quirligen Art von der Schule verwiesen. Eine neue Chance erhält sie auf der Tomoe-Gakuen-Grundschule, deren Direktor jedem Kind die Möglichkeit zur freien Entfaltung geben will. Während Totto-chan in der neuen Umgebung aufblüht und Freundschaften schließt, wirft der Zweite Weltkrieg jedoch bereits seinen Schatten voraus. Shinnosuke YAKUWAs wunderschön animierter und zutiefst humanistischer Anime basiert auf einem in zahlreiche Sprachen übersetzten Buch, in dem die Schauspielerin Tetsuko KUROYANAGI ihre Kindheit verarbeitet hat. [Text: NIPPON CONNECTION]
Die erste Hälfte erzählt die ungetrübte und fröhliche Kindheit von Totto-Chan, die an der Schule Spaß erlebt, sich mit ihrem an Polio-Kinderlähmung erkrankten Klassenkameraden anfreundet und ihm aufopferungsvoll hilft. Der zweite Weltkrieg und die Begleitumstände kommen schleichend. Zuerst sind nur Radio- und Zeitungsmeldungen zu hören. Dann ist der gewohnte Bahnhofsschaffner nicht mehr da und wir ahnen, dass er eingezogen ist. Zum Schluss wird die Schule bombardiert.
Zeichenstil und Erzählweise gefallen mir sehr. Die Animationsfilme sind hier schon lang die Höhepunkte.
Um 15:00 Uhr im Frankfurter Filmmuseum
CHIHIRO´S REISE INS ZAUBERLAND (Sen to Chihiro no kamikakushi / 千と千尋の神隠し)
Als die junge Chihiro mit ihren Eltern am neuen Wohnort ankommen, werden sie Opfer eines Fluches und die Eltern werden in Schweine verwandelt, die ihre Tochter nicht mehr erkennen. Um den Fluch aufzuheben muss sie ins Zauberreich der mächtigen Hexe Yubaba eintreten und für sie arbeiten. Dabei hat sie es mit Geistern, Dämonen und Naturgöttern zu tun, findet aber auch neue Freunde.
Der Zeichentrickfilm ist unglaublich phantasiereich und optisch herausragend und wunderschön. Allerdings sind einige Szenen auch etwas furchteinflößend und daher ist der Film für sehr kleine Kinder eher ungeeignet; fünf oder sechs Jahre sollte das Kind schon sein.
An diese visuelle und erzählerische Opulenz und diese magische Atmosphäre reicht kein – ich wiederhole KEIN – computeranimierter Film heran. Ein Meisterwerk. Ich sah den Film schon öfter und kenne ihn gut, sehe ihn aber seit der Erstaufführungszeit zum ersten mal auf der Leinwand. Sofort erobert mich das Meisterwerk wieder und ich staune knapp über zwei Stunden pausenlos.
Mit Superlativen gehe ich normalerweise sparsam um. Aber CHIHIRO ist ein epochales Meisterwerk der Filmkunst, das zu Recht mit der Goldenen Palme von Cannes und dem Oscar für den besten Animationsfilm ausgezeichtet wurde.
Regisseur Hayao Miyazaki ist inzwischen 83 Jahre alt, beendete aus Altersgründen schon mehrfach seine Karriere, wurde aber zum Glück immer wieder rückfällig,
18:00 im Filmmuseum
YOUTH OF THE BEAST / Yaju no seishun / 野獣の青春
https://db.nipponconnection.com/de/event/1539/youth-of-the-beastJapan 1963, von Seijun SUZUKI, mit Joe SHISHIDO, Mizuho SUZUKI, Akiji KOBAYASHI Ichiro KIJIMA, Misako WATANABE
Ein Unbekannter sorgt im Revier zweier rivalisierender Yakuza-Clans für Aufruhr. Er beginnt, sie gegeneinander auszuspielen und löst dabei eine Welle der Gewalt aus. Seine Absichten bleiben unklar, bis sich Verbindungen zum angeblichen Doppelselbstmord eines Polizisten und dessen Geliebter auftun. YOUTH OF THE BEAST zeigt bereits den exzentrischen Umgang mit Farbe, Musik und Bildtiefe, für den Seijun SUZUKI international bekannt wurde.
Der audiovisuelle Stil und die Erzählweise sind sehr interessant und sehenswert. Manche Personenkonstellationen in den beiden rivalisierenden Gruppen sind teilweise etwas unübersichtlich.
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