Die Feinde*innen in unserem Land
Die Feinde*innen in unserem Land
Im
Winter 2023/2024 trafen sich führende AfD-Politiker*innen, Neonazis
und finanzkräftige Unternehmer*innen in einem Potsdamer Hotel, um
die Remigration – also Deportation – von mehreren
Millionen aus Deutschland zu planen.
Man müsste jetzt meinen, dass hätte sinkende Umfrageergebnisse für die vom Verfassungsschutz AfD zur Folge haben müssen, weil viele Menschen davon entsetzt sind. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Umfrageergebnisse für die als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei steigen auf über 20%. Das kann drei Gründe haben:
Die Menschen sind dumm und wählen gegen ihre eigenen Interessen.
Die Menschen wählen immer noch Protest.
Die Menschen sind überwiegend der gleichen Meinung wie die AfD und wählen sie aus Überzeugung.
Oder zwei von drei oder alle drei.
Menschen mit niedrigen Einkommen, die ihre Stimme der AfD geben, wählen gegen ihre eigenen Interessen. Dazu gibt es genug Berichte, Artikel und Studien. Die AfD ist für Steuersenkungen gegen die Erhöhung von Renten, gegen ein Bürgergeld und gegen eine Energiewende. Das hat für Menschen mit niedrigen Einkommen die schlimmsten Auswirkungen. Neben niedrigen Renten werden sie bei einer AfD-Politik unter immer höher steigenden Energiepreisen für fossile Energie und Warenpreisen zu leiden haben, während Menschen mit Spitzeneinkommen und sehr hohen Vermögen von Steuersenkungen profitieren.
Ich meine, es war der Kabarettist Urban Priol, von dem ich den Kommentar über die AfD als Protestpartei zum ersten mal hörte – aber da möchte ich mich nicht festlegen:
„Wer aus Protest die AfD wählt, trinkt auch in der Kneipe aus der Kloschüssel, weil das Bier nicht schmeckt.“
Ein großer Teil der AfD-Wähler*innen ist offensichtlich für eine Remigrationspolitik. Sie sind für eine radikale Ausländer-raus-Politik. Faschist*in Björn Höcke formulierte:
Mit diesen Volksteile, die nicht willens sind, sich zu widersetzen, sind ganz offensichtlich wir Deutschen gemeint, die nicht AfD wählen und ihre Politik ablehen. Die AfD und ihre Wähler*innen sind unsere und meine Feinde*innen. Nicht ich erkläre sie zu meinen Feinden*innen. Ein Björn Höcke und die AfD erklären mich zum Feind.
Die AfD erklärt auch andere Parteien und ihre Anhänger*innen zu ihren Feinden*innen. Der frühere AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander „Fliegenschiss“ Gauland kündigte im Bundestag an: „Wir werden Sie jagen!“.
Der Umgang mit der AfD war total falsch.
Es war eigentlich eine schöne Tradition, die konstituierende Sitzung einer neuen Legislaturperiode durch die*den älteste*n Abgeortnete*n eröffnen zu lassen. 2017 wäre der AfD-Abgeordnete Alexander Gauland der Alterspräsident gewesen. Und die Mehrheit der Abgeordneten gab nach vielen Jahrzehnten diese Tradition auf; es wurde entschieden, den Abgeordneten mit der längsten Parlamentszeit Wolfgang Schäuble, die Sitzung eröffnen zu lassen. Und die AfD konnte sich wieder als Märtyrerpartei präsentieren. Hätten Sie Gauland doch reden lassen. Er hätte im Zweifelsfall nicht die Bundesrepublik Deutschland und das Parlament blamiert. Er hätte sich und seine Partei blamiert. Und im Zweifelsfall wäre Gauland´s Abgeordnetenimmunität aufgehoben worden und er hätte eine Anzeige wegen Volksverhetzung bekommen.
Es gibt keine Brandmauer. Es gibt eine Zusammenarbeit.
Die AfD ist einer sehr komfortabelen Situation, dass sie Forderungen formulieren kann und diese Forderungen von anderen Parteien mehrheitsfähig übernommen werden. Dabei muss die AfD keine Regierungsverantwortung übernehmen und kann zu Recht argumentieren: AfD Wählen wirkt.
Eine erste Zusammenarbeit anderer Parteien mit der AfD gab es im Thüringer Landtag, als der FDP-Kandidat Kemmerich mit Stimmen von AfD und CDU zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Später stimmten AfD, FDP und CDU für Änderungen in der Steuerpolitik. Die FDP gehört dort heute zur außerparlamentarischen Oppostion mit Fast Drei Prozent.
Nach dem Ende der Ampel-Koalition gab es wöchentliche Pressekonferenzen der AfD, bei denen Einladungen an die CDU/CSU ausgesprochen wurden; man habe doch eine rechnerische Mehrheit.
Der CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprach in der vorigen Woche offensichtlich nicht mit der AfD, um gemeinsame Abstimmungen zum „Fünf-Punkte-Plan“ zur Migrationspolitik zu erreichen. Friedrich Merz sprach aber eine offene Einladung aus. Wer mit der CDU/CSU stimmen wolle, solle das tun. Diese Einladung nahm die AfD an und triumphierte anschließend. Und das passierte am gleichen Sitzungstag, an dem vorher der Opfer des Holocaust gedacht wurde und ein über 90Jähriger KZ-Überlebender im Bundestag gesprochen hatte.
Friedrich Merz wollte die AfD eigentlich halbieren. In den Prognosen steht die AfD bei etwa 22%. Herr Merz trug also dazu bei, die AfD zu verdoppeln. Große Leistung.
Ein Holocaust-Überlebender gibt sein Bundesverdienstkreuz zurück und der jüdische Publizist Michel Friedmann tritt nach über 40 Jahren Mitgliedschaft aus der CDU aus.
Bildquelle unbekannt
Bildquelle: Karikaturrist Kostas Koufogiorgos
Neben der CDU/CSU und der AfD stimmte auch die komplette anwesende FDP-Fraktion dafür. Auch der frühere FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai stimmte dafür. Er kam einst als Elfjähriger aus dem Iran nach Deutschland, um ein besseres Leben zu haben und bei seinem Onkel zu wohnen. Was wäre wohl aus ihm geworden, wenn die Regelungen des „Fünf-Punkte-Plans und des Zustrombegrenzungsgesetzes schon damals gegolten hätten. Nach Auslegung mancher rechter Politiker*innen hätte er als illegaler Einwanderer und Wirtschaftsflüchtling gegolten und wäre an der Grenze oder am Flughafen zurückgewiesen worden, denn auch Familienzusammenführungen sollen begrenzt oder verhindert werden.
Es gibt wieder Demonstrationen.
Bildaquelle: TAZ
Im Winter und Frühjar 2024 gab es zahlreiche Demonstrationen gegen die Remigrationspläne der AfD. Zwei mal war ich in Frankfurt dabei. Es war ein gutes Gefühl. Auch bei der nächsten Demonstration in Frankfurt habe ich vor, wieder dabei zu sein. Wie viele Menschen waren bei der ersten Welle demonstrieren? Es waren mit Wiederholungstätern*innen geschätzte zwei bis drei Millionen Menschen. Das sind viele Leute und das ist gut und richtig. Aber bei einer Wahlbeteiligung von 76% und einem Stimmenanteil von 10,3% für die AfD waren das 2021 fast 4,8 Millionen Stimmen für die AFD. Und das ist beunruhigend. Wir sind nicht mehr!
Die Feinde*innen in unserem Land
Die politische Spaltung ist oft zu spüren. Als ich im Oktober 2024 mit meinem #FckAFD-Kapuzenpulli in der S-Bahn unterwegs war, wurde ich von einer primitiven humanoiden Lebensform - männlich, blond, deutsch - angepöbelt. Wenn sie erst an der Macht seien, könne ich mir aussuchen, ob ich vergast oder erschossen werde. Andere Fahrgäste kümmerten sich nicht darum und nahmen vielleicht auch gar nichts davon wahr, weil sie alle mit ihre Mobiltelefonen beschäftigt war.
2021 hatte ich vor der Bundestagswahl einen Hinweisauf meinem Briefkasten, dass Wahlwerbung von AfD & Co. unerwünscht sei. Bis Samstag Abend war der noch normal. Als ich am Sonntag der Bundestagswahl zum Wahllokal und zum Sonntagsbrötchen Holen radeln wollte, war der Hinweis mit diesem Kommentar verziert.
Nach einigen Überlegungen bin ich der Meinung, dass es eher kein Signal des Antisemitismus ist sondern eher ein dummer Kommentar von dummen Jugendlichen mit Rechtschreibschwäche. Und noch dümmer waren einige witzig gemeinte Jutebeutel-Kommentare dazu unter meinem Beitrag und auf Twitter. Und natürlich bin ich gespannt auf mögliche Reaktionen, wenn ich den nächsten Hinweis auf meinem Briefkasten platziere.
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